Sperrung bis Ende 2022
Auf den ersten Blick sieht am Bahnhof Gerolstein alles aus wie immer: Gleisanlagen und Bahnsteige machen einen gepflegten Eindruck, und im Gleisvorfeld scheinen Züge auf die Bereitstellung zur Fahrt in Richtung Köln und Trier zu warten. Doch bei einem genaueren Blick wird deutlich, dass hier längst nicht alles so ist wie immer. Erloschene Signale, abgestellte Züge, verschlammter Schotter und verwaiste Bahnsteige zeugen von der schweren Flutkatastrophe, welche die Region in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli heimgesucht hat.
Dabei ist Gerolstein, in Bezug auf die Infrastruktur, noch glimpflich davongekommen, wenn man sich die Zerstörungen entlang der Eifelstrecke, sowohl in Richtung Köln, als auch nach Trier genauer anschaut. Gehört die Eifelstrecke doch zu den am schwersten vom Unwetter betroffenen Bahnstrecken. Die DB Netz AG geht schon jetzt davon aus, dass die Strecke an den besonders betroffenen Stellen vollumfänglich neu gebaut werden muss. Noch ist man allerdings damit beschäftigt, alle Schäden im Detail zu erfassen.
Unterspülte Gleise, zerstörte Bahnübergänge, Brücken, Leit- und Sicherungstechnik sollen nach dem neuesten Stand der Technik wieder aufgebaut werden. Dabei plant die DB Netz AG auch abschnittsweise Neutrassierungen und größere Brückenbauwerke, um die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der Infrastruktur bei zukünftigen Hochwasserereignissen zu verbessern. Dies alles ist sinnvoll, benötigt aber Zeit, da dieses Vorgehen auch mit zusätzlichem Planungs- und Genehmigungsaufwand verbunden ist, wie DB-Netz-Vorstand Dr. Volker Hentschel in einer Pressekonferenz am 23. Juli bestätigte. Selbst wenn es bei diesen Maßnahmen Planungserleichterungen geben sollte, ist mit einem viele Monate dauernden Planungsvorlauf zu rechnen. Zu einer vollständigen Betriebsaufnahme wird es auf der Eifelstrecke in absehbarer Zeit nicht kommen, spricht die Deutsche Bahn doch aktuell von einer Sperrung der Strecke bis Dezember 2022. „Wir sind ja momentan eingesperrt“, kommentierte der Vulkan-Eifel-Bahn-Geschäftsführer, Jörg Petry, die aktuelle Situation gegenüber dem SWR. Das in Gerolstein ansässige Unternehmen hat, wie auch die Deutsche Bahn, aktuell keine Möglichkeit seine beschädigten Fahrzeuge in die Werkstatt zu überführen.
Alternativen gesucht
Der Zweckverband SPNV Rheinland-Pfalz Nord hat daher die kurzfristige Wiederinbetriebnahme der bereits zur Reaktivierung angedachten Eifelquerbahn von Kaisersesch bis Gerolstein ins Spiel gebracht. Der rund 50 Kilometer lange Abschnitt wurde bis 2012 noch regelmäßig von touristischen Personenzügen und Güterzügen befahren, danach aber der Natur überlassen. Erforderlich wäre die Beseitigung des zwischenzeitlich teilweise dichten Bewuchses. Danach ließen sich einerseits die in Gerolstein eingeschlossenen, vom Hochwasser beschädigten Fahrzeuge in eine Werkstatt überführen. Andererseits könnten dringend benötigte Gleisbaumaschinen und Materialien, wie Schienen, Schwellen und Weichen für einen schnelleren Wiederaufbau der Eifelstrecke von Andernach aus zugeführt werden. Von Seiten des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, sowie des Eifelquerbahn Vereins, wurde der Vorschlag zur kurzfristigen Reaktivierung der Eifelquerbahn auch an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer herangetragen. Ein Vorschlag, der auch von der Allianz pro Schiene unterstützt wird.
Kyllbrücke realistisch prüfen
Die vom Hochwasser ganz offensichtlich nicht in Mitleidenschaft gezogene Eisenbahnbrücke der Eifelquerbahn bei Pelm wurde in der Vergangenheit immer wieder als Hindernis für eine Reaktivierung dargestellt. Gutachter bescheinigten dem Bauwerk im Jahr 2014, das ein „Betrieb mit einer geplanten Zielgeschwindigkeit von 60 km/h“ nicht zu vertreten sei. Dabei wurde die Brücke bis zur Einstellung des Bahnbetriebs im Jahr 2012 regulär nur mit einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern befahren. Bis zuletzt konnten selbst schwere Güterzüge die Brücke passieren. Für eine Wiederinbetriebnahme als Baugleis würde sogar die Überquerung in Schrittgeschwindigkeit ausreichen. Aus diesem Grund fordert der Vorsitzende des Eifelquerbahn Vereins, Jens Wießner, eine zielführende Brückenprüfung unter „realistischen Vorgaben“. Unabhängig davon ließe sich über die Eifelquerbahn der aktuell komplett zum Erliegen gekommene Güterverkehr wieder aufnehmen, entweder direkt ab Gerolstein oder alternativ ab Daun beziehungsweise Ulmen. Danach könnte nach Auffassung von Julia Gieseking, Landrätin im Landkreis Vulkaneifel, auch der für die Region Vulkaneifel so immens wichtige Tourismus nach den coronabedingten Einschnitten von einer Reaktivierung profitieren. Aktuell benötigt der zwischen Euskirchen und Gerolstein eingerichtete Schienenersatzverkehr (SEV) beinahe drei Stunden, ohne dass die Möglichkeit der Fahrradmitnahme gegeben ist. Mit einer Verlängerung des regionalen Schienenverkehrs über Kaisersesch hinaus bis Gerolstein wäre für die Region auch eine verbesserte Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Personennahverkehr wieder gegeben. „Ich denke, dass es auch im Sinne der Bahn ist, gute Lösungen zu finden“, so Julia Gieseking (SPD) im Interview mit dem SWR. Hier wird sie sicher auch die Zusicherung von Dr. Volker Hentschel im Hinterkopf gehabt haben, welcher in der Pressekonferenz vom 23. Juli versicherte „dass wir mit Hochdruck daran arbeiten für die Menschen in der Region wieder attraktiven Bahnverkehr anbieten zu können“.
Pressemeldung des Eifelquerbahn e. V. vom 30. Juli 2021
Auf der 66. Verbandsversammlung hat der Zweckverband SPNV Nord die Weichen für einen Pilotbetrieb mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen auf der Eifelquerbahn zwischen Andernach und Kaisersesch gestellt. Auch die Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Eifelquerbahn bis Gerolstein kann nach einem Schreiben des Bundesverkehrsministeriums endlich Fahrt aufnehmen.
Noch verkehren auf vielen Strecken in Rheinland-Pfalz nur Dieseltriebwagen, liegt die Elektrifizierungsquote des rheinland-pfälzischen Schienennetzes doch bei unter 50 Prozent. Neben der Streckenelektrifizierung gibt es nun auch Alternativen in Form von wasserstoff- und batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen. Diese möchte der Zweckverband SPNV Nord ab 2024 im Rahmen eines mehrjährigen Pilotbetriebs auf verschiedenen Strecken ausführlich testen. Eine dieser Strecken ist die Eifelquerbahn von Andernach nach Kaisersesch.
Auf der Strecke „rauf“ nach Kaisersesch soll ein modernes und lokal emissionsfreies Fahrzeug mit Wasserstoffantrieb eingesetzt werden, welches mit einer Reichweite von mehr als 1000 Kilometern den Höhenunterschied von 400 Metern zwischen Andernach und dem aktuellen Endhaltepunkt in Kaisersesch problemlos meistern kann.
„Wir freuen uns das die Eifelquerbahn als Pilotstrecke zur Erprobung von alternativen Antrieben ausgewählt wurde.“, so der Vorsitzende des Eifelquerbahn e. V., Jens Wießner. Lieferant für den benötigten Wasserstoff ist hierbei u.a. das SmartQuart Projekt in Kaisersesch. Im Rahmen des durch das Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts werden hier Produktion, Lagerung, Transport und Einsatz von grünem Wasserstoff in einem „Reallabor“ erprobt.
„Durch den Einsatz des lokal produzierten Wasserstoffes erfolgt die Wertschöpfung direkt vor Ort. Dies ist auch im Hinblick auf die im Koalitionsvertrag der rheinland-pfälzischen Landesregierung enthaltene Reaktivierung der Eifelquerbahn bis Gerolstein von großem Interesse.“, so Wießner weiter.
In Bezug auf diese Reaktivierungspläne gibt es ebenfalls Neues zu berichten. So hat das Bundesverkehrsministerium (BMVI) die Länder vor kurzem über die Eckdaten der für dieses Jahr geplanten Neufassung der „Standardisierten Bewertung“ informiert. Auf dieser Basis kann nun auch die notwendige Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) erfolgen.
„Die Parameter der Standardisierten Bewertung waren schon länger hoffnungslos veraltet. Erstmals werden so wichtige Parameter wie Daseinsvorsorge, Klimaschutz oder auch Barrierefreiheit entsprechend gewichtet. Damit werden endlich die notwendigen Voraussetzungen für eine Rückkehr der Bahn in die Fläche und damit auch in die Region Vulkaneifel, geschaffen.“, so Jens Wießner.
Bis es so weit ist, werden noch einige Jahre vergehen. Denn erst nach dem positiven Abschluss der Machbarkeitsstudie können die entsprechenden Förderanträge gestellt und die weitergehenden Planungen auf den Weg gebracht werden. Wie ein Betrieb auf der reaktivierten Eifelquerbahn aussehen könnte, hat der Eifelquerbahn e. V. bereits vor einigen Wochen auf seiner neuen Internetpräsenz www.verkehrswende-vulkaneifel.de in zwei Varianten (Regional-Express bzw. Regional-Bahn) vorgestellt.
Die Zeit bis dahin möchte man von Vereinsseite aber nicht ungenutzt verstreichen lassen, befindet sich der Streckenabschnitt von Kaisersesch bis Daun doch nach Angaben der DB Netz AG, abgesehen vom Bewuchs, in einem guten Zustand. Daher hat man zwischenzeitlich mit dem Ziel eines Freischnitts der Strecke das Gespräch mit der DB Netz AG gesucht, wurde hierbei aber an das Land Rheinland-Pfalz verwiesen.
„In Bezug auf die weitere Nutzung der Eifelquerbahn hat sich das Land Rheinland-Pfalz ein Mitspracherecht gesichert. Wir wollen daher das Gespräch mit dem Land suchen, um über eine vorübergehende Nutzung der Strecke bis zur Reaktivierung des SPNV zu reden.“, so Wießner. Hierzu liegen auch bereits konkrete Ideen vor. So könnten schon bald moderne Triebwagen, wie sie aktuell zwischen Andernach und Kaisersesch verkehren, am Wochenende Ausflügler ganz bequem und ohne Auto in die Vulkaneifel bringen. Damit wäre auch hier der Einstieg in die Verkehrswende gemacht.
Und wer weiß, vielleicht macht einer der zu erprobenden Wasserstofftriebwagen auch mal einen Abstecher nach Daun oder Ulmen…
Pressemeldung des Eifelquerbahn e. V. vom 09. Juli 2021